Keine Straße bleibt wie sie ist – das gilt auch für die Beckergrube, die von der Trave bis in die Mitte der Altstadt führt. Seit dem Mittelalter (als die Bäcker noch „becker“ hießen) wird gebaut, umgebaut, modernisiert, abgerissen, neu errichtet. Jede Epoche hat ihre Spuren hinterlassen und Häuser an den Stil der Zeit angepasst. Vor allem der Zweite Weltkrieg und die Jahre des Wiederaufbaus haben das Gesicht der Beckergrube verändert und dem Verkehr viel Raum gegeben. Heute ist die Beckergrube eine der wichtigsten Verbindungen zwischen dem westlichen und östlichen Altstadtufer und sie wandelt sich wieder – zu einem attraktiven Stadtraum, der Lust machen wird, sich hier aufzuhalten.
Zusammen mit dem Historiker Jan Zimmermann, den Lübecker Museen und dem Kulturbüro der Hansestadt Lübeck haben wir eine Fotodokumentation in ein ehemaliges Ladengeschäft in der Beckergrube 13-17 gebracht. Diese Ausstellung zeigt historische Aufnahmen aus der Zeit von etwa 1870 bis 1970: Fotos, Drucke und Zeichnungen, die zeigen, wie sich die Straße in 100 Jahren fortwährend verändert. Die Bilder zeigen vor allem eines: eine Straße, vor allem eine Straße, die auch vom Verkehr bestimmt ist, bleibt nie wie sie einmal war.
Foto: Lübeck Management © Jan Zimmerman
Beim Blick in das Schaufenster der Ladenfläche Beckergrube 13-17 begegnen dir sechs Tafeln, auf denen Dr. Jan Zimmermann Personen und Orte in Szene gesetzt hat. Stimme dich hier schon einmal ein, bevor du dir die Ausstellung bei deinem nächsten Besuch in der Beckergrube ansiehst.
Möglicherweise warst du bereits da und bist dem QR-Code an der Ausstellung gefolgt. Hier kannst du die Texte noch einmal in Ruhe nachlesen und die Bilder betrachten. Wir wünschen dir viel Spaß dabei.
Um 1300 entstanden in der Beckergrube die ersten Häuser aus Backstein: Noch waren Teile der heutigen Altstadt unbebaut. Die archäologischen Arbeiten in der jüngsten Zeit haben unter dem Asphalt in der oberen Beckergrube die Reste qualitätvoller Architektur freigelegt. Die Straße wurde später erhöht und damit weniger steil. An der Gleichzeitigkeit von Wohnen und Handeln hat sich seit dem Mittelalter nichts geändert.
Schon seit über 250 Jahren hat das Theater seinen Platz in der Beckergrube. 1753 ließ der von Theater und Oper begeisterte Zimmermeister Hermann Hinrich Schröder ein älteres Haus zum ersten Theater umbauen – Vorhang auf!
1858 finanzierten Privatleute das „Casino-Theater“. Thomas Mann dachte beim Schreiben der Buddenbrooks an dieses Haus: „Ich kann gar nicht sagen, wie gern ich im Theater bin!“, schwärmt selig sein Christian Buddenbrook.
Der Brand eines Theaters in Chicago, bei dem 602 Menschen starben, war Anlass für den dritten, heutigen Bau. 1908 wurde das vom Architekten Martin Dülfer entworfene Haus eröffnet. Den Luftangriff von 1942 überstand es fast unbeschädigt.
Diese Chronologie verdeutlicht: Das Theater Lübeck und die Beckergrube bilden eine Symbiose, untrennbar voneinander. Dieses Haus hat Charakter und zeugt von unbändiger Standfestigkeit; es hat den zerstörerischen Luftangriff auf Lübeck am 29. März 1942 überstanden und wird sich auch in die neugestaltete Beckergrube erhaben einfügen - mit großartigen Inszenierungen und musikalischen Höhepunkten. Weitere Informationen: theater-luebeck.de
Zweimal wird in den Buddenbrooks von Thomas Mann erwähnt, dass man vom Haus in der Mengstraße 4 durch den Garten und den zweiten Hof in die Beckergrube gelangen konnte. Das war tatsächlich möglich, ist aber erst seit kurzem dank neu entdeckter Zeichnungen von 1854 zu belegen. Das Grundstück Mengstraße 6 (neben dem Buddenbrookhaus) und das Haus Beckergrube 19 gehörten seit dem Mittelalter zusammen. Vom Hof des Hauses Beckergrube 19 gab es auch einen Zugang zum Speicher am hinteren Ende des Grundstücks Mengstraße 4.
Haupthaus, Flügel, Gartenhaus und Speicher. Isometrische Zeichnung des Lübecker Architekten Manfred Zill, 1983. Die rot eingekreiste Tür des Speichers zum Hof Beckergrube 19 nach den Zeichnungen von 1854 ergänzt.
Foto: © Fotoarchiv Lübecker Museen
Aus dem Roman "Buddenbrooks" von Thomas Mann
Nicht nur die Beckergrube wird neugestaltet. Das Buddenbrookhaus ist derzeit leider geschlossen, denn hinter den denkmalgeschützten Fassaden wird bis 2028 das erweiterte »Das NEUE Buddenbrookhaus« entstehen. Klicke auf untenstehendes Bild und erlebe dein virtuelles Gestaltungsabenteuer mit dem Buddenbrookhaus. Viel Spaß bei diesem Ausflug in die Zukunft.
Um 1890 entstand der Plan für eine Markthalle im Herzen der Stadt. Die Stadt kaufte Grundstücke in der Beckergrube und der Mengstraße an. Dazu gehörte auch das heutige Buddenbrookhaus. Nach dem Abbruch von Hofgebäuden war Platz für die zweigeschossige, 1895 eröffnete Markthalle. Fuhrwerke rollten von der Beckergrube aus in den Keller. Fußgänger betraten die Halle im oberen Geschoss von der Mengstraße oder der Breiten Straße her. Schon 1939 gab es die Überlegung, aus der Markthalle ein Parkhaus zu machen. Doch beim Luftangriff 1942 wurde das Obergeschoss der Halle zerstört.
Foto © Lübecker Museen
Der Luftkrieg, den das Deutsche Reich seit 1939 nach Warschau, Rotterdam, Großbritannien, Jugoslawien und in die Sowjetunion gebracht hatte, kehrte sich mit neuen Flächenangriffen gegen Deutschland. In der Nacht vom 28. auf den 29. März 1942, dem Palmsonntag, wurde beim britischen Luftangriff auf Lübeck die Beckergrube mehr als zur Hälfte zerstört.
Foto © Vintage Germany
Nicht umgesetzter Plan von 1955 zum Wiederaufbau: Mit Markthalle und Autorampe zwischen Mengstraße und Beckergrube. Für eine neue Haltestelle der Straßenbahn vor dem Theater wurde die Straße verbreitert.
Foto © Archiv der Hansestadt Lübeck
Foto © Jan Zimmermann
Der Lübecker Dr. Jan Zimmermann, Historiker und Fotohistoriker, gibt seit über 20 Jahren Bildbände zu Lübeck- und Hamburg-Themen heraus. Mehrere Jahre hat er das Fotoarchiv der Lübecker Nachrichten betreut, jetzt ist er für die Lübecker Museen in Sachen Fotografie tätig.
Das Bildmaterial für Bücher und Ausstellungen kann er mit seiner umfassenden Kenntnis der verschiedenen Lübecker Sammlungen sowie seiner eigenen Sammlungen zusammenstellen. Wenn Schaufenster leer stehen, wie jetzt in der Beckergrube 13-17 und schon vorher im Leerstand Breite Straße 36-42 (ehemals Esprit/s'Oliver), reizt es ihn, diese Fenster mit Bildern zu füllen. Er bringt Bilder an ihren Ursprungsort zurück und zeigt damit Veränderungen und Verluste auf. Mit seinen Bildern schärft Jan Zimmermann den Blick und hilft zu erklären, warum städtebaulich etwas so ist wie es heute ist.
Wir bedanken uns bei Dr. Jan Zimmermann für die tolle Zusammenarbeit, für seine Recherche, Expertise und Gestaltung dieser Ausstellung. Ein ebenso großer Dank geht an den Eigentümer der Immobilie Beckergrube 13-17 und Herrn Michael Wilms für das Vertrauen und das Entgegenkommen, die Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel dafür, wie sich Leerstand temporär durchaus auch sinnstiftend in das Stadtbild einfügen lässt, ohne "unangenehm" aufzufallen.
Ohne die weiteren Unterstützer wäre die Umsetzung dieses Projekts um ein Vielfaches schwerer gewesen. Wir bedanken uns bei dem Kulturbüro der Hansestadt Lübeck, den Lübecker Museen, dem Buddenbrookhaus, dem Theater Lübeck und Vintage Germany für die finanzielle Unterstützung und Hilfe bei der Ausgestaltung der Ausstellungsfläche.
Idee und Konzeption: Lübeck Management e. V. und Jan Zimmermann / Vintage Germany Bildagentur
Texte, Bildrecherche und Gestaltung: Jan Zimmermann
Bildnachweise:
Tafel 1: Vintage Germany; Fotoarchiv Lübecker Museen, Archiv der Lübecker Nachrichten
Tafel 2: Lübecker Museen, Vintage Germany
Tafel 3: Archiv der Hansestadt Lübeck, Lübecker Museen
Tafel 4: Lübecker Museen, Vintage Germany
Tafel 5: Vintage Germany
Tafel 6: Archiv der Hansestadt Lübeck, Archiv der Lübecker Nachrichten, Slg. Wolf-Rüdiger Saager / Foto Werner Altmann
*Hinweis: Es handelt sich um eine Schaufenster-Ausstellung. 24/7 zu besichtigen, bei Dunkelheit sind die Schaufenster aktuell aber noch nicht beleuchtet. Wir arbeiten an einer Lösung. Vielen Dank für dein Verständnis.